Scheuchenstein

Für die Unterscheidung zwischen Scheuchenstein und Scheichenstein gibt es mehrere Möglichkeiten. Möglich ist eine Änderung des Ortsnamens, denn in verschiedenen alten Urkunden taucht der Ortsname als Scheichenstein auf. Andererseite kann bei unserem Familiennamen auch ein Fehler in einem Taufbuch aufgetreten sein, bei dem aus einem „U“ mit U-Häkchen (in Kurrentschrift) ein „I“ mit I-Pünktchen geworden ist.

Östlich des Ortes Scheuchenstein im Miesenbachtal, oberhalb der Ungerbach-Klamm, liegt die Burgruine Scheuchenstein.

Hier war einst der Sitz der Truchsesse von Scheuchenstein. Der Name wird von „schiechen Stein“ (häßlicher, furchterregender Fels) abgeleitet. Vielleicht hatte der schroffe Felskogel in frühester Zeit eine mythologische Bedeutung und in der kleinen Höhle unter der südlichen Felswand hauste einst ein haidnischer Priester.

Das Gebiet von Scheuchenstein gehörte seit Beginn des neunten Jahrhunderts zur Grafschaft „Traisma“. Die Grafen von Traisma (Traisen), die mit einem Aribo um das Jahr 1ooo zum erstenmal aufscheinen, nannten sich später auch nach der von ihnen gegrün­deten Burg „Waldegg“ im Piestingtal. Die heute verschwundene Burg Waldegg (sie befand sich hinter der heutigen Kirche von Waldegg) stand auf einem ebenso steilen Felskogel wie die Burg Scheuchen­stein und es ist anzunehmen, daß sie den Scheuchensteinern als Vorbild gedient hatte.

Wahrscheinlich war der erste Scheuchensteiner ein Vasalle der Grafen von Waldegg-Traisen. Als mit Hartwich um 1160 das Geschlecht der Waldegger ausstarb, kam Scheuchenstein an die „Pittner-Mark“ und fiel mit dieser im Jahr 1186 den Babenbergern zu.

Die Dorfkirche von Scheuchenstein wird 1192 zum erstenmal urkundlich erwähnt und es ist sicher anzunehmen, daß die Burg Scheuchenstein viel früher als die Kirche erbaut wurde.

Die Scheuchensteiner gehören vermutlich zu jener Familie, an welche ein Großteil der im Falkensteiner Kodex genannten Güter gelangt ist. In einer Urkunde des Stiftes Heiligenkreuz vom Jahre 1304 scheint ein „Ulrich der Scheuchenstainer“ als Zeuge auf. Weißkern und Schweickhardt erwähnen einen „Wulfing von Scheuchen­stein“, der in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahre 1333 als Zeuge angeführt wird. Auch ein „Eberhard“ und eine „Sophie“ werden um diese Zeit in Urkunden genannt. Zu Ende des 15. Jahrhunderts nennen sich Angehörige dieses Rittergeschlechtes „Truchsesse von Wulfingstein, Scheuchenstein und Dachenstein“. Ob es sich bei den späteren Wulfingsteinern und Dachensteinern um direkte Abkömmlinge, beziehungsweise um Seitenlinien der Scheuchensteiner handelt, ist nicht bekannt. Jedenfalls aber besteht hier ein sehr nahes Verwandtschaftsverhältnis und es ist sicher, daß dereinst alle drei Besitzungen in einer Hand vereinigt waren. Als letzten des Geschlechtes treffen wir um 1530 „Ruprecht, Truchseß von Wulfingstein, Scheuchenstein und Dachenstein.“ Durch seine Tochter kamen die Güter an deren Gatten „Christoph von Hohenegg“,

Unter den Erbstreitigkeiten zwischen den Habsburgern Herzog Albrecht und Herzog Friedrich von Steiermark, der später zum Kaiser gewählt, Friedrich III. genannt wird, hatte auch die Burg Scheuchenstein zu leiden. Die Söldnerscharen Albrechts machten, auch noch nach dessen Tode, die Gegend um Miesenbach unsicher. Friedrich war bemüht, die plündernd und mordend herumziehenden Horden aufzulösen.

Ulrich Kling, der damals auf Schloß Urschendorf saß, war ein Anhänger Albrechts und ein verschworener Feind des Burgherrn und Truchseß „Erhard von Scheuchenstein“. Er trachtete dessen Besitzungen an sich zu reißen. Michael Behaim, ein Dichter und treuer Anhänger Kaiser Friedrichs, war kurze Zeit Burghauptmann auf Scheuchenstein. Er hat uns einen Bericht  über den Kampf um die Veste Scheuchenstein in den Jahren 1464 und 1465 überliefert. Otto Lautinger hielt bereits in seinem Heft „Zehn Burgen im Viertel unterm Wienerwald“ (1927) die Erzählung Behaims fest und ich will mich hier auch zum Teil an dessen Worte halten.

Ritter Heinrich Kling von Urschendorf, ein arger Schnapphahn, der den Truchseß haßte, verband sich mit einem Edelmann namens Inbrucker und zog mit etlichen Gesellen gen Scheuchenstein, wo er sich bei Nacht im Walde in den Hinterhalt legte. Behaim nennt auch den Scheuchensteiner einen „groben knülcz und knochs“, der trotz seines Reichtums so geizig war, daß er kärglicher lebte als ein Bauer. Er hatte im „gsloss“ nur einen Knecht und „aine krumpe dirn, die jm kochet ruben und pirn“. Sonst lebten auf der Burg nur noch Erhards Weib, seine zwei Söhne und nur für die Nachtwache abwechselnd ein Bauer aus der Umgegend. Erhard wurde von dem geplanten Überfall benachrichtigt. Die Freifrau von Teufel hatte den Truchseß noch in derselben Nacht gewarnt: „daz er sich recht für sehe“. Doch dieser Grobian beantwortete die wohlgemeinte Warnung in einer nicht wiederzugebenden Weise. Er schrie auch höhnend zu den unsichtbaren Feinden hinunter, daß man ihn noch im Tale hören konnte. .“Der Kling vernahm die Schmähungen wohl, aber er rührte sich nicht. Er hatte einen heimlichen Ausgang im Schlosse ausgekundschaftet, durch den man ohne Mühe und unhörbar hineingelangen konnte. Vermutlich handelte es sich hier um ein an der Ostseite der Burg gelegenes Fluchttürl. Bei Tagesgrauen untergruben die Leute des Kling die unbewachteTür so lange, bis es ihnen gelang, sie zu öffnen und so in die Burg zu kommen. Der überraschte Truchseß floh mit Weib und Kind „hinden auss durch ain zwinger“ und wandte sich nach Neustadt. Lautinger nimmt an, daß die Flucht durch die heute noch bestehende Öffnung im Zwinger an der Nordseite erfolgt sei. Da es sich hier jedoch um eine ehemalige Ausgußöffnung handelt, nehme ich eher an, daß der Burgherr mit seiner Familie mittels Leiter über die Zwingermauer gestiegen und dann weiter über den nördlichen Berghang geflohen ist.

Der Kling setzte sich in der Burg fest. „Er dorfft es nit vil richten zu oder mit pawen han anruh, wann man doch in dem lande pesser vest nit vil vande.“ das heißt, er hatte an der Burg nicht viel zu richten oder sich mit Bauarbeiten zu beunruhigen, denn es gab doch im Lande nicht viele Festungen, die besser waren.

Dies trug sich im Herbst des Jahres 1463 zu. Als Heinrich Kling bald darnach starb, folgte ihm sein Bruder Hans im widerrechtlichen Besitze der Burg Scheuchenstein. Dieser selbst hielt sich jedoch in seinem Schloß zu Urschendorf auf. Scheuchenstein besetzte er mit sechzig Knechten unter vier Rottmeistern, über welche er als „obristen“ den Cunrat Vantenen bestellte. Mit dieser Schar beraubte und brandschatzte der Kling die ganze Umgebung durch fast ein Jahr. Anfangs September 1464, als Kaiser Friedrich III. bereits seit vier Wochen die Feste Urschendorf belagerte und die Raubgesellen fürchten mußten, daß nun auch sie bald an die Reihe kämen, erbauten sie, auf drei die Burg überhöhenden Felsen hölzerne „taber“ (Tabor, Außenwerk), die sie wohl besetzten.

Unter der Führung des Hans Schuster aus Guttenstein, der tags vorher einen der Tabore heimlich ausgekundschaftet hatte, erstieg eine kleine, entschlossene Schar der Kaiserlichen, welche von Urschendorf herbeigeeilt war, in der Nacht des 5. September den Felsen und überrumpelte bei Morgengrauen die aus acht Knechten bestehende Besatzung, die sie gefangennahm. Die Kaiserlichen besetzten den Tabor und warteten das Herannahen der Belagerungstruppen aus Urschendorf ab.

Am 12. September kam Geergg von Strunzberg mit 100 Mann, die jedoch schlecht bekleidet und bewaffnet waren. Mit 30 der besten dieser Leute wurde am 15. September der nächste Tabor, der mit 5 Knechten besetzt war, erstürmt und besetzt. Am 18. September kamen weitere 200 Mann als Verstärkung, darunter zwei Büchsenmeister, drei Zimmerleute und ein Steinmetz, Auch viele Edelleute befanden sich in dem kleinen Heer; unter anderen auch ‚Wolfgang von Scheuchenstein, der Sohn des so schmählich vertriebenen Burgherrn. Tags darauf, Sonntag nachmittags, schritten 41 der besten Leute, darunter auch Wolfgang von Scheuchenstein, zum Sturm auf den dritten Tabor. Der Angriff wurde jedoch nach vierstündigem Kampf von der Besatzung des Turmes abgeschlagen. Die Stürmenden hatten zwei Tote und zehn Verwundete, von denen einige später starben. Unter den Verwundeten befand sich auch Wolfgang von Scheuchenstein. Die Besatzung des Felsen, insgesamt 8 Knechte, hatte auch zwei Tote. Da die verbliebenen 6 Mann fürchteten, den Turm beim nächsten Sturm nicht mehr halten zu können, entflohen sie in die Burg, nachdem sie den hölzernen Tabor in Brand gesteckt hatten. Hiebei verloren sie noch zwei Mann. Der niedergebrannte Tabor wurde von den Kaiserlichen neu errichtet und besetzt.

Die Belagerer, insgesamt kaum 300 Mann, von denen viele verwundet waren, fürchteten nun, von der Burgbesatzung bei einem Ausfall überrannt zu werden und sannen auf eine Kriegslist. Sie zündeten rings in den Wäldern viele Lagerfeuer an, zogen unablässig in Gruppen hin und her und machten einen mächtigen Lärm, „als weren ir vir tauset“. Auch verschanzten sie sich mit Verhauen und Zäunen, und ein Drittel stand bei Nacht im Wachdienst. Mit einem schweren Geschütz, einer Viertelbüchse, zwei Haubitzen, Haken- und Handbüchsen, sowie mit Armbrüsten, wurde das Feuer auf die Burg eröffnet. Damit wurde den Belagerten jedoch wenig geschadet, denn die Burg „was vil zu gut“ und war weder „zu schiessen noch zu stürmen“. Es hieß doch „wenn nur drei Mann in ihr sich fänden, zwei von ihnen könnten sorglos am Brett spielen, der dritte behütete sie wohl, soferne sie nur mit Lebensmitteln versorgt waren“. Aus der weiteren Beschreibung Behaims ist zu entnehmen, daß sich dort, wo heute die Häusergruppe Hausberg steht, ein mit einer hohen Mauer bewehrter „Vorhof“ befand, davor ein tiefer Graben mit Palisaden. Vor dem Burgtor befand sich ein „Schreckzaun“ und nahebei “ ain teich mit quellendigem Wasser reich, den grub in niemencz abe, wassers gnug er in gäbe“.

Hier mag wohl der Ungerbach gestaut gewesen sein. Ober dem Vorhofe stand ein zehn Klafter hoher wehrhafter Turn, dahinter „ain ander gesloss“ und darüber ein zweiter starker Turm. Hinter diesem stand „das dritt gesloss“ mit einen zwanzig Klafter hohen, aus den Fels aufstrebenden Turm, über dem allen stand noch ein starker Turm „gevasst in dem stain“ und „hinder dem turn im vels zulest was die vird und erst die recht vest“.

An der Wahrhaftigkeit der Schilderung Behaims kann wohl nicht gezweifelt werden, denn da er nach Übergabe der Burg zum Hauptmann derselben bestellt wurde und in dieser Eigenschaft sechs Wochen verblieb, so muß er die ihm vertraute Burg doch gründ­lichst gekannt haben. Ich habe diese Beschreibung auch meinen Zeichnungen zugrundegelegt.

Das Gebiet um Scheuchenstein

Die Belagerten waren zwar auf ein halbes Jahr mit Lebensmitteln reichlich versorgt, nicht aber mit warmer Kleidung. Auf Entsatz durch ihren Herrn konnten sie nicht rechnen, so sandten sie an Hans Kling einen heimlichen Boten mit der Anfrage, „wie man sich halten sollte, ob er sie reten wolte“. Kling, der selber in Urschendorf belagert wurde, sah ein, daß er gegen den Kaiser auf die Dauer nicht bestehen konnte. Er bedachte auch, daß „stund es lang an, so musst er dest mer soldes han“ und antwortete also, daß er mit der ‚Übergabe der Burg Scheuchenstein einverstanden sei. Eben langte auch der kaiserliche Hauptmann Conrad Zirkendorfer und Michel Behaim mit Verstärkungen an, nachdem die Veste Urschendorf am 16. September, nach sechs Wochen Belagerung, gefallen war. Acht Tage später, an einem Mittwoch, also am 24. September 1464, wurde die Kapitulation abgeschlossen, wonach die Besatzung mit ihrer Habe über die Donau abziehen mußte. Wie man sieht, verfuhr man mit diesem Raubgesindel sehr ritterlich und glimpflich. Sicher hatte man ihnen bei den Übergabsverhandlungen freien Abzug zugestanden.

Die Burg wurde an Zirkendorfer übergeben und dieser bestellte nun Behaim als Hauptmann, dem er empfahl, die Veste auf das Beste zu hüten und zu pflegen. Auf der Burg blieben mit Behaim auch zwölf Mann als Besatzung zurück. Darunter waren: Der Edelmann Hans Gall, Wolfgang Ödenwieser als Kellermeister, Stefan Huber als Schaffer, Conrad Kuez als Koch. Diese vier behielt Behaim bei sich in der Hochburg. Die übrigen verteilte er in der Vorburg, unter ihnen ein von Openham, Lienhart von Reinvelde, Georg Lilgenvelder, Stefan Auer, dann zwei Wächter und ein Torwart. Doch die Burg wurde ständig, bei Tag und Nacht, von allerlei Gesindel umschlichen und die Besatzung hatte viel „mü und unru“. Behaim traute niemandem und durchwachte die Nächte; „in ein Stüblain, und hiess mir das warm haiczen ein und ein kerczen licht zünden an“.

Bei Tag holte er den versäumten Schlaf nach. Das ging so an die sechs Wochen. Dann schrieb Behaim an den Zirkendorf er, daß er dem Kaiser zu wissen tue und ihn bitte, einen anderen Burghauptmann zu bestellen, da er vor Sorge, Angst und Unruhe keinerlei Arbeit vollbringen könne. Schon andern Tages kam Zirkendorfer und übertrug das Kommando der Burg an einen gewissen Ostertag.

Bald darnach, vielleicht im Kriege mit Ungarn unter Matthias Corvinus, also zwischen 1480 und 1490, scheint die Burg abgebrannt und darauf im Laufe der folgenden Jahrhunderte durch Abbruch völlig zerstört worden zu sein. Sicher sind viele Wohnhäuser und Stallgebäude in Scheuchenstein und Umgebung mit Steinen der Burg erbaut worden.

Um 1577 kam die Herrschaft Scheuchenstein an die Grafen von Heussenstein, die damals auch Hernstein und Starhemberg besaßen. Später kam dann auch noch Emmerberg in ihren Besitz. Die Heussensteiner verkauften Scheuchenstein im Jahre 1652 an J.B. Graf von Hoyos. Die Ruine befindet sich ja auch heute noch im Besitz der Familie Hoyos.

Wappen der Truchsesse von Dachenstein, Wulfingstein und Scheuchenstein